Wie sorgt man für einprägsame Botschaften?
Trügt uns unser Gedächtnis? Ja, sagt Julia Shaw, Bestsellerautorin, Forensische Psychologin und Gedächtnisforscherin am University College London (UCL). Warum sich unsere Erinnerungen mit der Zeit verändern und wie Unternehmen dieses Wissen für einprägsame Botschaften nutzen können, verriet sie in ihrem Vortrag auf der Digital X.
Wenn wir uns an eine Begegnung, eine Veranstaltung oder ein Erlebnis erinnern, so sind unsere Erinnerungen daran stets einmalig. Und sie bleiben es auch. Allerdings auf eine andere Art und Weise, als die meisten denken. „Erinnerungen ändern sich ständig, das ist ein normaler physikalischer Vorgang“, sagt die Gedächtnisforscherin Dr. Julia Shaw. Und je öfter wir eine Geschichte erzählten und mit anderen teilen, desto mehr weicht sie vom tatsächlich Erlebten ab. Und man kann nie zum Original zurückkehren.
Doch damit nicht genug: Unser Gedächtnis ist nämlich nicht nur unzuverlässig. Es lässt sich auch manipulieren. Dazu zitiert Shaw ihre Kollegin Elizabeth Loftus. Die US-amerikanische Psychologin und Mitglied des Scientific Advisory Boards der False Memory Syndrome Foundation sagte: „Unsere Gedächtnis funktioniert wie eine Wikipedia-Seite. Du kannst reingehen und die Erinnerungen ändern, aber das können andere Leute auch." Also sind die eigenen Erinnerungen in Wahrheit eine Ansammlung von tatsächlich Erlebtem und angereicherten Zutaten anderer.
Gedächtnis kann gehackt werden
„Auch Erinnerungen, die sich unglaublich real anfühlen, sind es nicht zwangsläufig“, weiß Shaw, die im Bereich der Rechtspsychologie und Erinnerung forscht und die Polizei zu Befragungsmethoden und Zeugenaussagen berät. In einem Experiment zu Erinnerungsfälschungen im Jahr 2015 waren am Ende fast Dreiviertel der Studienteilnehmer davon überzeugt, dass sie in der Vergangenheit ein Verbrechen begangen hätten und sich nun daran erinnerten. Es war den Forschern gelungen, das Gedächtnis der Studienteilnehmer zu hacken und ihnen eine falsche Erinnerung einzupflanzen.
Die spannende Nachricht zum Schluss: Das Wissen um das fehlbare Gedächtnis können sich Unternehmen zunutze machen für Botschaften, die im Bewusstsein ihrer Zielgruppen tatsächlich haften bleiben. Am besten erinnern wir uns nämlich an Ereignisse, wenn sie alle unsere Sinne ansprechen, emotional und abwechslungsreich sind – so wie diese Digital X als erstes Live-Event nach zwei Jahren. „Fehlen Hochs und Tiefs, verläuft das Leben eher ereignislos – wie für viele im Lockdown abgeschieden von ihrem normalen Umfeld die Zeitabläufe verschwammen –– verblassen die Erinnerungen daran schnell“, gibt die Gedächtnisforscherin ein Beispiel.
Ihre Tipps für Botschaften, an die man sich gut erinnert: „Wählen Sie einen überraschenden Ansatz und arbeiten Sie mit Emotionen! Bauen Sie echte Erinnerungen in ihre Geschichte ein, welche die Menschen schon in ihrem Kopf haben, und sprechen Sie darin alle Sinne an!“ Wenn zu einem Bild ein Geruch und ein Gefühl hinzukommt, sind viele Bereiche des Gehirns für diese Erinnerung miteinander verknüpft und bleiben besser haften.