BEST OF TECHBOOST – TEIL 5: EVY SOLUTIONS
Lesen 4.0: Warum KI Dokumente besser versteht als wir
Während viele Programme zum Digitalisieren der Firmenpost Dokumente nur sortieren, geht das Start-up Evy Solutions einen Schritt weiter. Das System liest und versteht eingehende Schreiben und weiß, was zu tun ist – mehr als 600.000-mal pro Woche.
Manchmal braucht es gar keine aufwendige digitale Lösung, um den Überblick zu behalten: Im Büro von Michael Vogel informiert ein tischplattengroßes Brett über die Kunden seines Unternehmens. Es gibt eine Reihe von Zetteln sortiert nach Kunden, Interessenten und aktuellen Verhandlungspartnern. So ganz Start-up-mäßig wirkt das nicht. Michael Vogel ist auch kein typischer Gründer. Als Berater für Venture Capital betreute er die Gründungen von mehr als 50 Unternehmen, bevor er sich entschied, mit seinem Partner Arian Storch seine Kraft vollständig in einem gemeinsamen Unternehmen zu bündeln.
Da passt es nur ins Bild, dass das Unternehmen auch nicht in Berlin, sondern in Köln und München sitzt und die Büroräume nahe des Kölner Doms einen eher sachlichen Charme versprühen denn hippe Techie-Atmosphäre. „Wer in einem Start-up arbeiten möchte, sollte wissen, dass er vor allem viel arbeiten darf“, sagt Vogel. Bei Evy tun die inzwischen 15 Mitarbeiter alles, um anderen Menschen lästige Tätigkeiten zu ersparen – voll digitalisiert.
Zig Milliarden Rechnungen oder Bestellungen werden in Deutschland jährlich versendet. Immer häufiger elektronisch, um dann beim Empfänger dennoch von einem Mitarbeiter begutachtet und bearbeitet zu werden. Eine oftmals triste Tätigkeit, die durchaus Zeit kostet. Die Lösung sind Systeme, die eingehende Rechnungen per Künstlicher Intelligenz bearbeiten. Jeder, der mit seiner Bank-App eine Papier-Rechnung scannt, hat solche Verfahren bereits genutzt. Große Organisationen setzen darauf, Auftragseingänge zu automatisieren, damit zwischen Erteilung und Erfüllung nur noch ein Bruchteil der Zeit von früher liegt.
Die Innovationsworkshops PR
Evy Solutions hat eine Software auf Basis von Künstlicher Intelligenz entwickelt, die Dokumente einlesen, sortieren und bearbeiten kann. Das schaffen auch andere Programme im Markt. Der Unterschied liegt im Detail. Evy liest den Text in einem Dokument, wie Michael Vogel an einem siebenseitigen Schreiben an ein Steuerbüro demonstriert. Statt ein Dokument nach einem Muster nach bestimmten Parametern wie Konto- oder Bestellnummer abzusuchen, wertet Evy den Text aus – es liest ihn und versteht daraufhin, was zu tun ist. Dabei nimmt es dem Nutzer unter anderem die Aufgabe ab, jede Seite eines als Brief, Fax oder E-Mail eingehenden Schriftstücks aufzutrennen und die Seiten herauszutrennen, die einzeln bearbeitet werden müssen, aber auch ein zweiseitiges Anschreiben nicht zu zerlegen.
TechBoost-Programm sorgt für Unterstützung
Die Fähigkeiten verdankt Evy dem Informatiker Arian Storch, der mit dem von ihm entwickelten Algorithmus für die Künstliche Intelligenz etwas laut Vogel Einzigartiges geschaffen hat, das sich nicht so einfach nachprogrammieren lässt. Storch ist der eine Teil von Evy und arbeitet mit den Softwareentwicklern in München, während Vogel vom Kölner Zentrum aus das Geschäftliche verwaltet.
Die Software selber arbeitet außerhalb der Systeme eines Unternehmens und ist über Schnittstellen mit dem Kunden verbunden. Angesichts der Zahl an Eingängen von Rechnungen oder Bestellungen wird schnell klar, dass es sich um große Datenmengen handelt, die die Software bewältigt. „Unsere Pakete, die wir anbieten, reichen von rund 1.000 bis 600.000 Dokumenten pro Monat. „Allerdings wären auch größere Mengen zu schaffen, wenn das nötig wäre“, sagt Vogel. Eine schnelle Internetverbindung vorausgesetzt, funktioniert das in der Cloud genau wie auf eigenen Servern.
Es ist also keine Überraschung, dass Evy Solutions zum TechBoost-Programm der Telekom passt und nach der ersten erfolgreichen Phase weiter mit der Telekom zusammenarbeitet.
Obwohl in bestimmten Branchen wie der Versicherungswirtschaft die Unternehmen ihre Daten auf eigenen Servern bearbeitet wissen wollen, ist die Cloud für andere die ideale Lösung. „Sie können so ihre Prozesse skalieren“, sagt Vogel. Wachstum ist in der Cloud grundsätzlich unbegrenzt möglich und die Kooperation mit TechBoost ein guter Weg, Bedenken über die Sicherheit der Daten von Cloudanbietern auszuräumen. Vogel selber möchte mit Evy ebenfalls wachsen, „aber in einem guten Tempo“. Deswegen ist der Schritt in andere Sprachen bislang nur in der Planung und noch nicht vollzogen.
Für den erfahrenen Manager Vogel ist Wachstum nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen es auch in der erforderlichen Qualität stemmen kann. Ein internationales Wachstum über Europa hinaus würde die Anforderungen stark verändern. So wäre es zum Beispiel im Falle einer Hotline nötig, die für alle Zeitzonen anzubieten. Vogel, so wird im Gespräch schnell klar, digitalisiert gemeinsam mit Storch einen wesentlichen Bestandteil jedes Unternehmens nicht mit heißer Nadel und großen Visionen. Stattdessen setzen sie auf funktionierende Lösungen, solide kaufmännischen Entscheidungen und, wenn nötig, auf ein großes Brett mit Papierstücken für den Überblick.