EDWARD SNOWDENS KAMPF FÜR DIE FREIHEIT
Edward Snowden: Über NSA Veröffentlichungen und Datenschutz der Zukunft
Edward Snowden ist der wohl bekannteste Whistleblower der Welt. Aus Russland zugeschaltet, zeigte er sich auf der DIGITAL X DIGITAL EDITION zuversichtlich, dass Datenschutz in Zukunft die Rolle einnimmt, die ihm gebührt.
Edward Snowden lacht. Er lacht mehrfach in seine Kamera. Freundlich und aufmunternd reagiert er auf Fragen, die ihm von Moderatorin Judith Rakers gestellt werden und die er sich schon mehrfach selbst beantwortet hat. Fragen nach seiner Sicherheit, seiner Zukunft, seinen Perspektiven. Snowden ist zugeschaltet zur DIGITAL X DIGITAL EDITION. Zugeschaltet wie so oft in den vergangenen Jahren, nachdem er 2013 als Mitarbeiter der CIA sein Wissen über die Massenüberwachung des amerikanischen Geheimdienstes NSA mit der Welt teilte und er aus den USA zunächst nach Hongkong floh und nun seit 2013 in Russland im Asyl lebt.
Ja, er säße nun in Moskau, und so wenig wie auch normale Menschen möchten, dass Behörden jederzeit wüssten, wo sie sich gerade aufhalten, so wenig möchte er das. Und vielleicht ein wenig weniger als normale Bürger, scherzt er: „Es ist derzeit nicht so gut, zu sagen, wo man genau ist. Ich kann sagen, ich bin in meiner eigenen Wohnung in meiner Quarantäne mit meiner eigenen Kamera, mit meiner eigenen Beleuchtung.“
Kaum Gewinner durch Überwachung
Auch da hält er mit seiner Einschätzung nicht hinter dem Berg. Nicht über die Situation in Russland im Zuge der Coronakrise noch über seine Einschätzung der Regierungen in den USA, China, dem Iran oder eben Russland, die allesamt mit den Fallzahlen von Covid-19 für ihre Zwecke hantierten. „Aber Journalisten haben Zugang zu grundlegenden Fakten – wenn Menschen sterben, dann sieht man das“, sagt Snowden, der Transparenz als entscheidend für eine Demokratie ansieht.
Die alltägliche Situation, wie sie Milliarden von Menschen derzeit erleben, sei für ihn nicht unbekannt. „Das war ein Crashkurs – für mich war das vorher Normalität“, sagt Snowden. Und vieles daran sei gut: „Technologie kann Menschen miteinander verbinden. Egal, was für Barrieren existieren, sie schafft Beziehungen auf globaler Ebene.“
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Sie hilft Snowden auch, das Weltgeschehen im Blick zu behalten. Für Snowden ist der 19. Mai kein gewöhnlicher Tag. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Überwachung durch den BND im Ausland hat er aus der Ferne genau verfolgt. Snowden begrüßt sehr, dass ein Staatsorgan ein Gesetz überprüft und schlussendlich als Verstoß gegen die im Grundgesetz gewährten Grundrechte wertet.
Massenüberwachung sei falsch: „Ich habe gesehen, dass gegen Rechte verstoßen wird.“ Auch wenn das Urteil für seinen Geschmack nicht weit genug gehe, sei er froh. Es sei seines Wissens das erste Mal, dass ein hohes Gericht entschieden habe, dass Gesetze nicht nur innerhalb des eigenen Landes gültig seien. „Die deutschen Bürger sind geschützt durch das Grundgesetz“, sagt Snowden.
Das Weltgeschehen im Blick
Er könne sich gut vorstellen, dass die Formen der Massenüberwachung, wie er sie aufgedeckt habe, auch ein Vorbild für den deutschen Gesetzgeber gewesen seien, der dem BND damit die Möglichkeit gegeben habe, auch im Ausland Daten zu sammeln. Das massenhafte Sammeln von Daten aber sei der falsche Weg. „Es werden Menschen und Gruppen überwacht, ohne dass sie jemals etwas Unrechtes getan hätten.“ Dabei gäbe es in jedem Land die Möglichkeit, sich für eine Überwachung von Verdächtigen eine Genehmigung von einem Richter zu besorgen, auch wenn das ein wenig länger dauere.
Aber die Freiheit, über die eigenen Daten zu entscheiden, sei elementar. „Sie können das menschliche Leben nicht beschützen, wenn sie die digitalen Rechte nicht wahren.“ Das gelte auch für sein eigenes. „Ich habe keine Angst“, sagte Snowden. Er zeigte sich lebensklug und mit sich im Reinen. „Ich habe auch vor 2013 schon lange im Ausland gelebt“, sagt diSnowden. Sein Leben in Russland sei für ihn deswegen kein gänzlich neues, auch wenn ihm das Reisen fehlen würde. „Ich würde gerne nach Deutschland kommen und Ihnen in die Augen schauen.“ Und ohne es anzusprechen, zeigten sich in Snowdens Worten Parallelen zur Digitalisierung, die ihre Vorteile ausspielen kann, wenn sich einzelne Menschen kleine Schritte zutrauten.
„Macht hört nicht. Macht reagiert.“
„Was in der näheren Zukunft zu tun ist: Wir müssen über die DSGVO sprechen. Wir müssen begrenzen, was gesammelt werden darf“, mahnte Snowden. Überwachung sei so designt, dass sie nicht abgelehnt werden kann. Schon vor Corona war der Status quo, dass es wenige Gewinner und viele Verlierer gibt. Ob das auf Ebene der Staaten oder Unternehmen ist – das System wächst immer weiter. „Jetzt sehen wir, dass sich Menschen dagegen aussprechen“, sagt Snowden.
Wir sähen, dass autoritäre Tendenzen und Systeme auf dem Vormarsch seien, auch in Deutschland. Dem müssten die Bürger der offenen Gesellschaften entgegentreten: „Macht hört nicht. Macht reagiert. Reformen werden Regierungen aufgezwungen.“
Deswegen sei sein Entschluss, die Daten zu veröffentlichen, richtig gewesen. „Niemand kann die Welt im Alleingang verändern. Aber wenn Sie auf die Geschichte schauen: Es sind immer einzelne Menschen, die etwas in Bewegung gesetzt haben“, sagt Snowden. „Es sind Menschen, die in ihrer Machtlosigkeit etwas für sich entdecken, für das es sich zu kämpfen lohnt. Ich kann stolz sein auf die Entscheidung, die ich getroffen habe. Jeder macht mit wenigen Taten einen Unterschied. Stück für Stück. Es sind die kleinen Dinge, die wir tun, die die Welt verändern.“ Und entgegnete bei der Verabschiedung durch Moderatorin Judith Rakers dem Wunsch „Stay safe“ ein überzeugtes „Stay free!“.