DIGITAL X DIGITAL EDITION: Die Welt im Wandel
„Der digitale Wandel beginnt im Kopf“
Bitkom-Präsident Achim Berg und Geschäftsführer Geschäftskunden Telekom Deutschland Hagen Rickmann im Gespräch über das Momentum einer Krise, gesunden Pragmatismus und mehr Energie bei Netzausbau und Digitalisierung.
Herr Rickmann und Herr Berg, in Ihren Jobs gehörten Dienstreisen bis zur Coronakrise zum Alltag. Vermissen Sie das Unterwegssein?
Achim Berg: Wenn wir mal ehrlich sind: Arbeiten im Homeoffice hat viel besser geklappt, als wir wahrscheinlich alle gedacht haben. Wir arbeiten produktiver als im Büro, sind in Videokonferenzen disziplinierter und effizienter als in echten Meetings und können die Zeit, die wir sonst für den Weg zum Arbeitsplatz gebraucht haben, mit schöneren Dingen füllen.
Hagen Rickmann: Das heimische Büro erlaubt viele Freiheiten, ohne dass Arbeit liegen bleibt. Das Reisen fehlt mir dabei weniger als der persönliche Kontakt zu Kollegen, Partnern und Kunden.
Dabei ist der persönliche Austausch für die tägliche Zusammenarbeit nicht unwichtig.
Berg: Das ist er absolut. Chats oder Videokonferenzen ersetzen reale Begegnungen mit Menschen nicht auf Dauer. Sie ersetzen nicht den Small Talk mit Kollegen in der Kaffeeküche und auch nicht die kleine Unterhaltung auf dem Gang. Sie sind aber die beste aller Möglichkeiten im Moment.
Rickmann: Unsere Digitalisierungsinitiative DIGITAL X, die eben diesen lockeren und persönlichen Austausch über die Digitalisierung befördern soll, war von der neuen Distanz besonders betroffen. Aber wir haben die Live-Events nicht abgesagt, sondern erfolgreich in den virtuellen Raum verlegt. An der ersten DIGITAL X DIGITAL EDITION haben 17.000 Unternehmensvertreter und -entscheider teilgenommen – inklusive gemeinsamem Chat, Abendessen und Abschlusskonzert.
Sind virtuelle Versammlungen jetzt das neue Normal?
Rickmann: Sie sind mehr, nämlich ein Zeichen dafür, dass die Digitalisierung einen immensen Schub bekommen hat. Das war gut und wichtig. Ein Beispiel: Wir als Telekom haben in den vergangenen Monaten rund 60.000 Lizenzen für Kollaborationstools vergeben, mehr als je zuvor in so kurzer Zeit. Gemessen an unseren mehr als drei Millionen Geschäftskunden würde ich aber sagen: Da geht noch was.
Berg: Die Krise hat mit den vielen digitalen Lösungen, die schnell eingeführt wurden, für ein „New Normal“ gesorgt. Doch das reicht nicht. Ich würde mit Blick auf digitale Schulbildung und Verwaltung sogar sagen: Ich kenne kaum ein Land, das in diesen Bereichen unambitionierter unterwegs ist als Deutschland.
Solche Ambitionen kosten in der Regel Geld. Geld, das viele Firmen in der Krise lieber sparen statt auszugeben.
Berg: Die Krise hat das Verständnis für den Nutzen digitaler Lösungen massiv befeuert, das gilt für Behörden und Unternehmen gleichermaßen. Jetzt nachzulassen, ist gefährlich, weil die deutsche Wirtschaft bei der digitalen Transformation noch viel Boden gutzumachen hat.
Rickmann: Wer jetzt in seine Digitalisierung investiert, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen. Davon bin ich fest überzeugt. Selbst für kleine Betriebe muss das keine riesige Belastung sein. Unser Magenta-Point-of-Sale-Produkt für Einzelhändler ist beispielsweise eine Komplettlösung für Kasse, Warenwirtschaft, Kundenverwaltung, Einkauf und Logistik. Der finanzielle und zeitliche Aufwand für die Integration ist aber sehr überschaubar. Gemessen am Nutzen für Kunden und Händler ist das ein lohnendes Investment.
Die erste Halbzeit der Digitalisierung, gemeint ist der Bereich für Endkundenanwendungen, ging vor allem an US-Unternehmen. Bei der zweiten Halbzeit, dem B2B-Geschäft, wurden deutschen und europäischen Unternehmen in der Vergangenheit aber Chancen ausgerechnet. Gibt es die noch?
Rickmann: Wir haben eine Riesenchance, die die Coronakrise in gewisser Weise sogar verstärkt hat. Homeoffice? Funktioniert. Das Netz? Hält. Mehr Daten als vor der Krise digital bereitstellen? Haben zahllose Unternehmen geschafft. Warum? Weil sie keine andere Wahl hatten, als diesen Wandel mitzumachen. Das ist ein enormes Momentum, das sich in zukünftigen Produkten zeigen wird.
Berg: Da schließe ich mich an und möchte hinzufügen, dass fünf Maßnahmen unsere Chancen für Halbzeit zwei erhöhen: Wir brauchen einen Infrastruktur-Boost, Stichwort Glasfaser. Ebenso wichtig ist die weitere Digitalisierung von Schulen, Universitäten. Gleiches gilt für die Verwaltung. Dann das Homeoffice: Das ist viel flexibler als das Arbeitszeitgesetz, das angepasst werden muss. Und zuletzt: wirtschaftliche Anreize für die Digitalisierung von kleinen mittelständischen Unternehmen setzen.
„Infrastruktur-Boost“ klingt nach einer schönen Umschreibung für „langsamer Netzausbau“.
Rickmann: Viele der Punkte, die Herr Berg genannt hat, kommen dabei zusammen und führen dazu, dass wir nicht in dem Tempo ausbauen, wie zum Beispiel wir als Telekom es könnten. Um in einem Gebiet Glasfaser verlegen zu können, warten wir im Schnitt 100 Arbeitstage, bis alle Genehmigungen vorliegen. Bei der Standorterschließung für 5G reden wir von bis zu 18 Monaten Wartezeit, ehe die Montage beginnt.
Das Anfang Juni verabschiedete Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung soll auch der Digitalisierung einen Schub verleihen. Ist es für Sie ein Schritt in die richtige Richtung?
Berg: Fast ein Drittel der verabschiedeten Mittel soll in digitale Themen fließen, das ist gut. Uns freut auch, dass einige Vorschläge des Bitkom in das Konjunkturpaket eingeflossen sind. Notwendig sind die Mittel allemal: Ein Fünftel der Mittelständler hatte bisher keine Digitalisierungsstrategie. Mit dem neuen Digitalisierungsprogramm für den Mittelstand wird jetzt jedes Unternehmen bei dem ersten Schritt unterstützt und kann dann hoffentlich schnell darauf aufbauen. Eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse für bestehende Förderungen würde das zum Beispiel begünstigen.
Sie beide verstehen Digitalisierungsanstrengungen als hochwirksames Mittel gegen die Folgen der Krise. Was raten Sie Unternehmern jetzt zu tun?
Berg: Es ist nicht genug, neues Geld, etwa aus staatlichen Fördertöpfen, auf alte Ideen zu werfen. Wir brauchen auch neue Ideen. Viele davon entstehen gerade jetzt in Unternehmen und Entscheider tun gut daran, sich ernsthaft mit jeder einzelnen auseinanderzusetzen.
Rickmann: Unternehmerischer Mut zahlt sich immer aus. Denken Sie in digitalen Lösungen, wo immer es Ihr Unternehmen zulässt. Der digitale Wandel beginnt im Kopf. Und dann folgt das, was wir auch unseren Geschäftskunden sagen: Digitalisierung. Einfach. Machen.
Vielen Dank für das Gespräch.