Digitale Ethik: Ethische Herausforderungen der Digitalisierung
Werte und Normen bestimmen das harmonische Zusammenleben aller Menschen. Doch was passiert, wenn sich die Moral durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) verschiebt? Dieser Frage geht die digitale Ethik nach.
Was ist digitale Ethik?
Als Teilbereich der Ethik, beziehungsweise der praktischen Philosophie befasst sich die digitale Ethik mit werteorientiertem Handeln im digitalen Leben. Die Kernfrage lautet hierbei: Wie sieht richtiges Handeln unter den Bedingungen der Digitalisierung aus? Denn bestimmte Normen und Werte haben im sogenannten „Onlife“ oft einen anderen Stellenwert als im „Real Life“. Die Digitalethik untersucht und reflektiert diese Unterschiede.
Gegenstand der ethischen Untersuchung ist dabei hauptsächlich die Verarbeitung von Big Data sowie die Rolle sozialer Medien. Daran anknüpfend beschäftigt sich digitale Ethik gleichfalls mit Themen der Privatsphäre und Überwachung. Ein dritter Schwerpunkt ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen. Dabei sind die Übergänge zu anderen Teilgebieten der Ethik fließend. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Anwendung von KI und neuen Innovationen in der medizinischen Technik.
Kernthemen und Aufgaben der digitalen Ethik
Das Augenmerk der Digitalethik liegt also auf einer werteorientierten Gestaltung der Digitalisierung. Eine weitere ethische Frage lautet: Wie lassen sich digitale Technologien so entwickeln und anwenden, dass sie wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich miteinander vereinbar sind?
Wie in der Ethik und Philosophie üblich, ist eine abschließende Beantwortung dieser Frage unmöglich. Vielmehr handelt es sich um einen ständigen Prozess, der immer wieder neue Faktoren berücksichtigt. Die digitale Ethik will vor allem Schwachstellen und Stärken der Digitalisierung aufzeigen. Das gelingt durch folgende Maßnahmen:
- Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Gesellschaft identifizieren
- Verantwortlichkeiten aufzeigen
- Rahmenbedingungen für ein gelingendes Miteinander verschiedener Akteure schaffen
- Wertebewusstsein im digitalen Raum stärken
- Standards für moralisches Verhalten erheben
- Förderung der digitalen Kompetenz
Flexibilität und schnelle Entwicklungen sind charakteristisch für die digitale Transformation. Daher müssen diese Aufgaben immer wieder neu erledigt und Ergebnisse auf ihre Aktualität hin überprüft werden.
Hate Speech und ethisches Verhalten im digitalen Zeitalter
Diese Schritte lassen sich am besten anhand von Hassreden als praktisches Beispiel erklären. Bei sogenannter Hate Speech handelt es sich um Botschaften im Web, die Menschen hinsichtlich ihrer Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung diffamieren.
Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Gesellschaft identifizieren
Hate Speech und Cyber-Mobbing finden oft anonymisiert in sozialen Netzwerken statt. Sie bilden die traurigen Schattenseiten der Digitalisierung. Hassbotschaften übertragen sich auch zunehmend auf das reale Leben: „Verrohung der Sprache“ ist zu einem gesellschaftlichen Schlagwort geworden. Aus ethischer Sicht liegt hier eine Diskrepanz zwischen bestehenden Werten und diesem Verhalten vor. Die digitale Ethik fragt hier zum Beispiel, wie sich dieses Missverhältnis in Zukunft entwickelt.
Verantwortlichkeiten aufzeigen
Die Maßnahmen der digitalen Ethik sind auf mehrere Schultern verteilt. Der einzelne Mensch ist genauso für den moralischen Umgang im digitalen Raum verantwortlich wie Unternehmen oder die Gesellschaft. Hassreden zu widersprechen, erfordert die Zivilcourage einzelner User. In sozialen Netzwerken können Administratoren als verlängerter Arm des Anbieters entsprechende Nutzer sperren.
Rahmenbedingungen für ein gelingendes Miteinander verschiedener Akteure schaffen
Ein wichtiges Werkzeug für den Erfolg des respektvollen Umgangs ist Kommunikation. Zum einen benötigt der Administrator einen Ansprechpartner innerhalb des Unternehmens hinter dem sozialen Netzwerk. Dort kann er sich rückversichern oder auf wiederkehrende Probleme hinweisen. Über die Melde-Funktion treten einzelne Nutzer ebenfalls mit dem Unternehmen in Kontakt. Zum anderen kommuniziert der Admin bestenfalls genauso mit dem User, der Hate Speech verbreitet. Ziel ist es, Hassreden in Zukunft zu unterbinden.
Wertebewusstsein im digitalen Raum stärken
Tritt der Admin mit dem Hassredner in einen Diskurs, kann dieser seinen moralischen Kompass neu ausrichten. Bei einem halb-öffentlichen Austausch bringen sich oft weitere User ein oder lesen zumindest mit. Das führt zu einem stärkeren Bewusstsein für gesellschaftliche Normen und ethische Werte.
Standards für moralisches Verhalten erheben
Die sogenannte Netiquette oder Netz-Etikette ist mittlerweile in der digitalen Welt weit verbreitet. Dabei handelt es sich um einen Verhaltenskodex, dem alle Nutzer beim Betreten einer Plattform zustimmen. Das Unterlassen von Hate Speech ist darin meist verpflichtend enthalten.
Förderung der digitalen Kompetenz
Damit die verschiedenen Akteure Hate Speech überhaupt als solche erkennen, braucht es eine entsprechende Medienkompetenz. Gleiches gilt zum Beispiel auch beim Identifizieren von Fake News im Internet. Hier geben immer mehr Unternehmen den Usern kleine Hilfsmittel an die Hand. Doch mit Warnhinweisen allein ist es nicht getan. Einzelpersonen oder Unternehmen sind in der Verantwortung, sich selbst zu diesen Themen zu informieren und ihre digitale Kompetenz auszubauen.
Angebote zum Ausbau von Wissen zu entwickeln, ist wiederum eine Aufgabe für Bildungsträger im Zusammenspiel mit der digitalen Ethik.
Handlungsträger der Digitalethik
Darüber hinaus gibt es noch andere Institutionen und Organisationen, die sich mit Fragen und den Herausforderungen digitaler Ethik beschäftigen. Dazu zählen zum Beispiel die Bertelsmann Stiftung oder der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Sie beleuchten vor allem den ökonomischen Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz näher. Der Deutsche Ethikrat beschäftigt sich unter anderem mit dem Einsatz von Robotik in der Pflege oder der Verarbeitung von Big Data in der Medizin. In der Politik gibt es verschiedene Gremien auf Bundes- und Landesebene, beispielsweise die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ des Deutschen Bundestags.
Digitalethik gewinnt ebenso in der Wissenschaft und Forschung immer mehr an Bedeutung. Im deutschsprachigen Raum hat sich vor allem das Institut für Digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart einen Namen gemacht. Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Petra Grimm gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der Medienethik. Internationale Aufmerksamkeit erlangte sie unter anderem mit ihren „10 Geboten der digitalen Ethik“.