Startups und Innovationspolitik
Neustaat: Wie Politik und Staat sich ändern müssen
Ein vitales Start-up-Ökosystem im 21. Jahrhundert wird von denselben drei Säulen getragen wie die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts: Staat, Kapital und Wissen. Nachzulesen im Opus „Neustaat - Politik und Staat müssen sich ändern: 64 Abgeordnete und Experten fangen bei sich selbst an mit 103 Vorschlägen“:
„Ein moderner, funktionierender Staat mit kluger Regulierung, guten Bedingungen für Forschung und Wissenstransfer sowie aktivem und einsetzbarem Risikokapital ist auch heute in der Lage, eine enorme wirtschaftliche Dynamik zu entfesseln. Dazu kommt eine vierte Säule, die vor 150 Jahren nur begrenzt berücksichtigt wurde: die Mitarbeiter. Je einfacher und besser sie am Erfolg eines Start-ups beteiligt werden können, desto größer die Motivation für den Einzelnen und damit die Erfolgschancen für das Unternehmen. Wollen wir uns von dem Tunnelblick auf die alten Industrien befreien, müssen wir der Zukunft eine Stimme geben. Nur so kann sich die Politik rechtzeitig informieren, dann vorausschauend handeln und als lernendes System zu einem echten Partner des Start-up-Ökosystems werden. Ein Weg, um diejenigen mit in die Debatte zu integrieren, die es noch gar nicht gibt, ist die Einrichtung einer Zukunftslobby“, formulieren die Neustaat-Autoren.
Besonders in der Start-up-Förderung gibt es Nachholbedarf. 2018 wurden in Deutschland gerade einmal 4,6 Milliarden Euro Wagniskapital investiert – weniger als ein Zehntel dessen, was US-amerikanischen Start-ups zugutekommt. 2019 lagen England und Frankreich bei VC-Investitionen in junge Unternehmen vor Deutschland. Und: Auch ganz
Europa gerät ins Hintertreffen, nicht nur gegenüber den USA. Während sich die Investitionen in Europa zwischen 2012 und 2017 fast verdreifachten, sprangen sie in Asien auf fast den 15-fachen Betrag und damit auf das Niveau der USA. Besonders groß ist der Finanzierungsnachteil der jungen Unternehmen in Europa während der späteren, besonders kapitalintensiven Wachstumsphase. In Europa wird pro Finanzierungsrunde deutlich weniger Geld eingesammelt als in Asien und den USA. Facebook, Tesla und Uber haben während
Jedes vierte Start-up will ins Ausland gehen, weil zu Hause das Geld fehlt und weil Mitarbeiterbeteiligungen zu kompliziert und zu teuer sind. Das Geschäft wird häufig im Ausland gemacht. Das Datenkompressionsverfahren MP3 etwa wurde in Erlangen entwickelt und von der Fraunhofer-Gesellschaft patentiert. Doch deutsche Firmen wie Siemens zögerten, auf diese neue Technologie zu setzen mit dem Ergebnis, dass der erste MP3-Player in Korea produziert wurde. Deutschland meldet in Europa die meisten Patente an, doch weil das Wagniskapital fehlt, heißt es oft: Invented in Germany, sold somewhere else.
Wollen wir eine neue Gründerzeit in Deutschland auslösen, brauchen wir darum zunächst einmal bessere Bedingungen für solche institutionellen Investoren. „Einen großen Schritt in diese Richtung hat die Bundesregierung gerade mit einem Zukunftsfonds für Wachstumskapital getan. Er soll es institutionellen Anlegern vereinfachen, in Venture-Capital-Fonds zu investieren. Eine erste Tranche von zwei Milliarden Euro wurde im April 2020 beschlossen, insgesamt soll der Fonds binnen zehn Jahren auf ein Volumen von zehn Milliarden Euro anwachsen. Gemeinsam mit den bereits bestehenden Instrumenten für
Wachstumsfinanzierung wie HTGF, Coparion, KfW Capital und EIF verfügt die Bundesrepublik damit erstmals in seiner Geschichte über eine veritable Finanzierungslandschaft für Wagnis-und Wachstumskapital“, erläutern die Neustaat-Protagonisten.
Mit einem der Neustaat-Co-Autoren diskutieren wir das Thema: Was Innovationen wirklich groß macht. #DigitalXAdhoc-Livegespräch mit Thomas Jarzombek, Beauftragter des Bundeswirtschaftsministerium für die Digitale Wirtschaft und Start-ups. Mittwoch, 30. Juni, um 13 Uhr.