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Nachhaltig wirtschaften – mit Herz und Kompetenz

Gutes Design, Komplexitätskompetenz und intrinsische Motivation: Warum wir davon künftig mehr brauchen und warum die Nachhaltigkeit deutscher Unternehmen von diesen Faktoren profitiert.

ESG (Environmental, Social and Governance) und Klimaschutz sind komplexe Themen. Doch trotz erster Bemühungen kratzen viele Maßnahmen von Unternehmen noch zu sehr an der Oberfläche. Unternehmen müssen ganzheitlicher handeln – davon überzeugt sind Prof. Dr. Riccardo Wagner, Studiendekan sowie Professor für Nachhaltiges Management und Kommunikation an der Hochschule Fresenius, und Kea Berdyszak, Research Consultant und Lehrbeauftragte im Bereich Nachhaltiges Design an der ecosign Akademie für Nachhaltiges Design. Das Wissenschaftler-Duo trat auf der DIGITAL X im Science Check auf und befasst sich mit der Nachhaltigkeitstransformation von Unternehmen.


Gutes Design macht Nachhaltigkeit zugänglicher

Es gibt vieles, was man tun kann, um Emissionen einzusparen oder eine diverse Unternehmenskultur zu fördern. Die zahlreichen Nachhaltigkeitsregularien und Reportingpflichten geben zwar Orientierung, tragen jedoch auch dazu bei, dass Nachhaltigkeit abschreckt. Nur etwas mehr als ein Drittel der im Sustainability Transformation Monitor 2024 für Deutschland befragten Unternehmen fühlt sich tendenziell gut vorbereitet, die bevorstehenden regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Doch immerhin: Knapp 80 Prozent geben an, mittlerweile eine leicht steigende Verantwortung für Nachhaltigkeit auf Vorstands-/Geschäftsführerebene wahrzunehmen. Für 98 Prozent der Unternehmen ist das Thema Nachhaltigkeit strategisch relevant.

Guter Wille allein reicht aber nicht. „Es braucht niedrigschwellige Angebote und Lösungen für Unternehmen, die Lust auf neue Wege machen und zeigen, dass Nachhaltigkeit vor allem eins bedeutet: ein Korridor mit großem Handlungsspielraum“, sagt Kea Berdyszak von ecosign. „Sinnvoll sind deshalb digitale Anwendungen, die einfach und übersichtlich gestaltet sind und direkt an die Anpack-Mentalität der Unternehmen appellieren.“ Ein Beispiel für eine Lösung, die nachhaltige Maßnahmen leicht zugänglich macht, ist eine App von ecosign und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: Wie lassen sich Geschäftsmodelle ändern und Produkte mithilfe digitaler Technologien anpassen, um sich als Unternehmen langfristig nachhaltig aufzustellen? Die App übersetzt komplexe Suffizienz-Strategien, die etwa Produktlanglebigkeit hinterfragen, um den Ressourcenverbrauch zu minimieren, in konkrete Ratschläge.

Noch wichtiger: Nachhaltigkeit von innen heraus

Wichtig zu verstehen, ist jedoch auch: „Alle warten auf die eine Lösung, die Nachhaltigkeit wie durch Zauberhand im Unternehmen realisiert, aber die gibt es nicht. Stattdessen sind viele ineinandergreifende Maßnahmen gefragt“, sagt Prof. Dr. Riccardo Wagner. Dazu gehört auch, dass alle Mitarbeitenden ihren Beitrag leisten. Und wie erreicht man, dass sich diese trotz voller Terminkalender und privater Verpflichtungen, auch noch um die Nachhaltigkeit des Unternehmens kümmern? Machen wir uns nichts vor. Wenn man etwas nicht selbst verinnerlicht hat, nicht selbst überzeugt aus eigenen Stücken ein Ziel verfolgt, wird man es nicht durchziehen. Das betrifft die zum x-ten Mal aufgeschobene Joggingrunde genauso wie den Umstieg vom Auto auf die Bahn. „In deutschen Unternehmen ist ein Kulturwandel nötig“, sagt Wagner „Und der funktioniert nur, wenn er von innen kommt. Stichwort: intrinsische Motivation.“

Wenn alle motiviert sind und mitmachen, ist viel erreicht: „Jeder einzelne Mitarbeiter kann etwas bewirken – auch mit kleinen Maßnahmen, die etwa einzelne Abteilungen Schritt für Schritt nachhaltiger gestalten. Insgesamt hat das einen nicht zu unterschätzenden Effekt“, so Kea Berdyszak.

Komplexitätskompetenz: Was bringt wirklich etwas?

Außerdem müssen Unternehmen verstehen, dass die Qualität der Maßnahmen entscheidend ist. Sprich, um den richtigen Impact zu erreichen, müssen digitale Lösungen sinnvoll und gezielt ineinandergreifen. Beispiel Nachhaltigkeitsbericht: Mittlerweile Standard in vielen Unternehmen, nur lässt sich damit schwer auf einen Blick erkennen, wie nachhaltig ein Unternehmen wirklich ist. Besseren Aufschluss gibt etwa der Telekom-Nachhaltigkeitsmanager, der unterschiedliche ESG-Daten im Unternehmen übersichtlich digital aufbereitet.

Um zu begreifen, welche Teile der Wertschöpfungskette sich wie gegenseitig beeinflussen und um Wechselwirkungen auf die Nachhaltigkeit zu erkennen, ist nicht nur Fachwissen gefragt. Komplexitätskompetenz werde für alle Manager und Mitarbeitenden zur Schlüsselfähigkeit – laut Berdyszak und Wagner beinhaltet das auch philosophische Kenntnisse und Herangehensweisen mit Blick fürs Ganze. Fördern Manager und Teamleads die Komplexitätskompetenz von Mitarbeitenden, können sie auch ihre Resilienz, Anpassungsfähigkeit und ihr Beurteilungsvermögen stärken. Das Unternehmen muss dafür auch bereit sein, Zeit und Geld zu investieren. Etwa den Rahmen zum Ausprobieren neuer nachhaltiger Maßnahmen schaffen – innerhalb bestimmter Leitplanken. Auch die Hochschule Fresenius legt großen Wert darauf, ihren Studierenden schon früh Komplexitätskompetenz mitzugeben. Sie bilden die nachfolgenden Generationen also von Anfang an besser dafür aus, mit der steigenden Komplexität unserer Welt umzugehen und steigern dadurch ihre Motivation, sich aktiv in gesellschaftliche Lösungen einzubringen.

Mit Blick auf die ökologische Nachhaltigkeit eines Unternehmens heißt das: eine langfristige Strategie entwickeln, die nicht nur das Offensichtliche vorantreibt, sondern tiefer in die Materie einsteigt. Dazu gehört, im Sinne der sogenannten doppelten Materialität zu prüfen, wie das Unternehmen nach außen Verantwortung übernehmen und nach innen das Geschäftsmodell mehr an Nachhaltigkeit ausrichten kann. Dann Sinnvolles verstärken und Problemstellen angehen. So lässt sich echter Impact realisieren.